So vielfältig die Anhänger des Islam sind, so
unterschiedlich sind auch die Traditionen, so auch bei der Geburt eines Kindes
und im Zusammenleben mit Kindern. Der große gemeinsame Nenner für gläubige
Muslime ist der Koran, in dem Verhaltensweisen für alle Lebensbereiche
festgeschrieben sind.
Mehr als eine
Milliarde Menschen leben nach muslimischem Glauben in über 100 verschiedenen Ländern
dieser Welt. Dazu zählen große Teile Afrikas, beinahe ganz Indonesien, die
Türkei, Minderheiten in China, Russland, Nord- und Südamerika, aber auch immer
mehr in Ost- und Westeuropa. Nur 18 % der Muslime sind in arabischen Gebieten
zu finden, obwohl man vor allem diese Menschen im Allgemeinen mit der
islamischen Glaubensgemeinschaft in Verbindung bringt.
Im Koran, dem
Glaubensbekenntnis der Muslime, werden Männer und Frauen grundsätzlich als
gleichwertige Wesen beschrieben, jedoch mit unterschiedlichen Rechten und
Pflichten. Der Mann ist das Familienoberhaupt, er muss die Familie alleine
ernähren und erhalten können. Im Gegenzug hat er aber das Recht, seine Frau zu
verstoßen, sollte sie ihm keine Kinder bzw. keine Knaben gebären.
Die Frau ist
voll und ganz für die Aufzucht und Erziehung der Kinder zuständig, ihre höchste
Erfüllung innerhalb der Gesellschaft ist die Mutterschaft. Sie muss zum
Lebensunterhalt der Familie nichts beitragen, außer sie wünscht es. Ihre
Stellung in der Familie ist sehr wichtig, da einer kinderreichen, vielmehr
einer knabenreichen Familie im Islam das höchste Ansehen gebührt. Da Mädchen
als zukünftige Frauen eine Familie in finanzieller Hinsicht nicht unterstützen,
bevorzugt man Jungen. In vorislamischen Zeiten wurden Mädchen sogar lebendig
begraben, dem Islam ist es zu verdanken, dass solche fürchterlichen Praktiken
ausgelöscht wurden.
Während ihrer
Schwangerschaft ist die Frau vom Fasten im Fastenmonat Ramadan ausgenommen. Die
versäumte Zeit kann sie im Anschluss nachholen oder aber durch Almosengeben
ausgleichen. Da während des Fastenmonats in der Zeit von Sonnenaufgang bis
Sonnenuntergang weder Essen noch Trinken erlaubt sind, müssen Schwangere,
Stillende, Kranke, ältere Menschen sowie Kinder bis zu Beginn der Pubertät nicht
daran teilnehmen.
Zur Dauer der
Schwangerschaft gibt es im Islam verschiedene Auffassungen. In manchen
Überlieferungen steht, eine Schwangerschaft könnte bis zu 4 Jahre dauern.
Hintergrund einer solchen Theorie dürfte sein, dass verwitwete Frauen, denen
Ehebruch vorgeworfen wurde sich rechtfertigten, indem sie behaupteten, das Kind
hätte 2 Jahre in ihnen geschlummert ehe es im dritten Jahr nach dem Tod des
Ehemannes auf die Welt kam. Damit wurde den Frauen häufig die Todesstrafe
erspart.
Wird also ein Junge
geboren herrscht bei den Muslimen große Freude. Kommt ein Mädchen auf die Welt
kann es schon vorkommen, dass man von den Freunden und Verwandten bemitleidet
wird. Dem Neugeborenen wird kurz nach der Geburt der Gebetsruf ins rechte Ohr
geflüstert. Der Kopf des Kindes wird rasiert, das Gewicht der Haare in Silber
aufgewogen das die Familie in der Folge an Bedürftige verschenkt. Den Namen des
Kindes legt meist der Mann fest, wird jedoch ein Mädchen geboren hat auch die
Frau ein gewisses Mitspracherecht.
Für das
Neugeborene gibt es verschiedene auf Magie beruhende Schutzpraktiken, so zum
Beispiel das Einnähen von blauen Perlen in die Kleidung der Säuglinge. Sie
sollen vor dem „bösen Blick“ schützen, der ein Kind innerhalb der ersten 40
Lebenstage ereilen kann und dem auch heute noch die mancherorts hohe
Säuglingssterblichkeit zugeordnet wird. Modernere, meist in westlichen Ländern
lebende muslimische Familien interpretieren diesen Umstand ein wenig anders;
für viele sind diese 40 Tage nach der Geburt die willkommene Schonzeit, in der
sich Vater, Mutter und Kind unter Ausschluss der lieben Verwandtschaft erst
einmal aneinander gewöhnen müssen.
Meist werden
die Jungen am 7. Tag nach der Geburt beschnitten, spätestens aber findet die
Beschneidung vor Beginn des siebten Lebensjahres statt. Mädchen werden nicht
beschnitten, diese Vorgehensweise wird im Koran ausdrücklich verboten. Leider
herrschen in Teilen Afrikas nach wie vor solch grausame Sitten vor.
Die Babys
erhalten nach der Geburt einen kohlehydratreichen Dattelbrei, der sie stärken
soll. Datteln werden auch oft der wehenden Mutter gegeben, weil sie das Hormon
Oxitocyn enthalten und den Geburtsvorgang beschleunigen können. Während des
Geburtsvorgangs soll die werdende Mutter Bittgebete sprechen, da es heißt diese
würden in dieser Situation ganz besonders erhört werden. Muslimischen Frauen
steht ebenfalls eine Hebamme an der Seite, um sie bei der Geburtsarbeit zu
unterstützen. Das Gebären erfolgt meist im Liegen und ohne Zuhilfenahme von
Schmerzmitteln. Der Mann darf auf keinen Fall bei der Geburt anwesend sein. Im
Koran wird ausdrücklich die natürliche Geburt bevorzugt, ein Kaiserschnitt ist
nur für den Notfall vorgesehen, weil er die Frau schwächt und ihre
Gebärfähigkeit vermindert.
In Bezug auf
das Stillen gibt es im Koran die Empfehlung, Kinder volle zwei Jahre zu
stillen. Demzufolge ist die Bindung der Mutter an ihren Nachwuchs in diesen
ersten Lebensjahren sehr eng. Da die geglückte Mutterschaft das höchste Ziel
für jede Frau im Islam darstellt, kommt ihr in dieser Zeit besondere Bedeutung
zu.
Der Koran sieht
sogar vor, dass eine geschiedene Frau für die Stillleistung der Kinder vom Mann
finanzielle Entschädigung einfordern kann. Trotz aller Mutterliebe sehen es die
Traditionen vor, schon bald einen großen Unterschied in der Erziehung von
Jungen und Mädchen zu machen. Jungen werden generell zu Prinzen erzogen; sie
haben mehr Freiräume und werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt. Etwa ab
dem siebten Lebensjahr übernimmt der Vater die Verantwortung für die männlichen
Nachkommen.
Mädchen
hingegen müssen sich schon sehr früh an ihre Rolle als Dienerinnen gewöhnen, um
sich später im Haushalt tadellos zu verhalten. Von ihnen wird verlangt,
absoluten Gehorsam den männlichen Familienmitgliedern gegenüber an den Tag zu
legen. Mit fortschreitendem Alter der Frau – nämlich dann wenn sie ihre
Sexualität abgelegt hat und nicht mehr als Verführerin der Männer gilt – steigt
auch ihr Ansehen. In der Rolle von Schwiegermüttern haben sie eine
gleichberechtigte Stellung zu der eines Mannes und verfügen über ein
gewichtiges Mitspracherecht. Mädchen werden im Islam schon sehr früh
verheiratet, meist zwischen 13 und 19 Jahren. Allerdings darf es nicht gegen
ihren Willen geschehen. Im modernen Islam ist die Einehe die Normalität, der
Koran erlaubt einem Mann aber bis zu vier Frauen zu ehelichen. Der Grund dafür
liegt einerseits in der Versorgung mehrerer Frauen durch einen Mann,
andererseits in der steigenden Chance auf (männliche) Nachkommen. Die Vielehe
wird allerdings heute nicht in dem Maße wie früher gelebt.
Eine Scheidung
ist im Islam immer der letzte Ausweg aus einer glücklosen Ehe, der Koran
betrachtet sie als eine der unwürdigsten Möglichkeiten. Zuvor wird alles
versucht, um die beiden Partner doch noch miteinander auszusöhnen. Die Gründe
für eine Scheidung sind für Mann und Frau unterschiedlich. Ein Mann kann sich
scheiden lassen, wenn die Frau ihm nicht die gewünschten Nachkommen schenkt.
Ergeben sich dreimal hintereinander Situationen, in den er ihr gegenüber äußert
„Ich verstoße dich“ so ist die Scheidung problemlos vollzogen.
Auch Frauen
können sich scheiden lassen, die Gründe dafür sind aber ausschließlich Impotenz
oder Geisteskrankheit des Mannes, lange Abwesenheit oder fehlende
Unterhaltszahlungen desselben. Im Falle einer solchen rechtskräftigen Trennung
erhält immer der Vater das Sorgerecht für die Kinder. Obwohl die Stellung der
Frauen und Mädchen nicht unbedingt mit westlichen Werten in Einklang zu bringen
sind, so hat doch die Familie im Islam einen besonders hohen Stellenwert. Sie
wird als Institution der gegenseitigen Unterstützung gesehen, in der alle
Mitglieder festgelegte Pflichten aber auch ebensolche Rechte haben. Und was am
wichtigsten ist: In ihr finden alle Liebe, Geborgenheit und Halt in schwierigen
Situationen.