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Mittwoch, 7. Januar 2015

Familie, Schwangerschaft und Geburt im Islam

So vielfältig die Anhänger des Islam sind, so unterschiedlich sind auch die Traditionen, so auch bei der Geburt eines Kindes und im Zusammenleben mit Kindern. Der große gemeinsame Nenner für gläubige Muslime ist der Koran, in dem Verhaltensweisen für alle Lebensbereiche festgeschrieben sind.

 Mehr als eine Milliarde Menschen leben nach muslimischem Glauben in über 100 verschiedenen Ländern dieser Welt. Dazu zählen große Teile Afrikas, beinahe ganz Indonesien, die Türkei, Minderheiten in China, Russland, Nord- und Südamerika, aber auch immer mehr in Ost- und Westeuropa. Nur 18 % der Muslime sind in arabischen Gebieten zu finden, obwohl man vor allem diese Menschen im Allgemeinen mit der islamischen Glaubensgemeinschaft in Verbindung bringt.
 Im Koran, dem Glaubensbekenntnis der Muslime, werden Männer und Frauen grundsätzlich als gleichwertige Wesen beschrieben, jedoch mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten. Der Mann ist das Familienoberhaupt, er muss die Familie alleine ernähren und erhalten können. Im Gegenzug hat er aber das Recht, seine Frau zu verstoßen, sollte sie ihm keine Kinder bzw. keine Knaben gebären.

 Die Frau ist voll und ganz für die Aufzucht und Erziehung der Kinder zuständig, ihre höchste Erfüllung innerhalb der Gesellschaft ist die Mutterschaft. Sie muss zum Lebensunterhalt der Familie nichts beitragen, außer sie wünscht es. Ihre Stellung in der Familie ist sehr wichtig, da einer kinderreichen, vielmehr einer knabenreichen Familie im Islam das höchste Ansehen gebührt. Da Mädchen als zukünftige Frauen eine Familie in finanzieller Hinsicht nicht unterstützen, bevorzugt man Jungen. In vorislamischen Zeiten wurden Mädchen sogar lebendig begraben, dem Islam ist es zu verdanken, dass solche fürchterlichen Praktiken ausgelöscht wurden.
 Während ihrer Schwangerschaft ist die Frau vom Fasten im Fastenmonat Ramadan ausgenommen. Die versäumte Zeit kann sie im Anschluss nachholen oder aber durch Almosengeben ausgleichen. Da während des Fastenmonats in der Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder Essen noch Trinken erlaubt sind, müssen Schwangere, Stillende, Kranke, ältere Menschen sowie Kinder bis zu Beginn der Pubertät nicht daran teilnehmen.
 Zur Dauer der Schwangerschaft gibt es im Islam verschiedene Auffassungen. In manchen Überlieferungen steht, eine Schwangerschaft könnte bis zu 4 Jahre dauern. Hintergrund einer solchen Theorie dürfte sein, dass verwitwete Frauen, denen Ehebruch vorgeworfen wurde sich rechtfertigten, indem sie behaupteten, das Kind hätte 2 Jahre in ihnen geschlummert ehe es im dritten Jahr nach dem Tod des Ehemannes auf die Welt kam. Damit wurde den Frauen häufig die Todesstrafe erspart.

 Wird also ein Junge geboren herrscht bei den Muslimen große Freude. Kommt ein Mädchen auf die Welt kann es schon vorkommen, dass man von den Freunden und Verwandten bemitleidet wird. Dem Neugeborenen wird kurz nach der Geburt der Gebetsruf ins rechte Ohr geflüstert. Der Kopf des Kindes wird rasiert, das Gewicht der Haare in Silber aufgewogen das die Familie in der Folge an Bedürftige verschenkt. Den Namen des Kindes legt meist der Mann fest, wird jedoch ein Mädchen geboren hat auch die Frau ein gewisses Mitspracherecht.

 Für das Neugeborene gibt es verschiedene auf Magie beruhende Schutzpraktiken, so zum Beispiel das Einnähen von blauen Perlen in die Kleidung der Säuglinge. Sie sollen vor dem „bösen Blick“ schützen, der ein Kind innerhalb der ersten 40 Lebenstage ereilen kann und dem auch heute noch die mancherorts hohe Säuglingssterblichkeit zugeordnet wird. Modernere, meist in westlichen Ländern lebende muslimische Familien interpretieren diesen Umstand ein wenig anders; für viele sind diese 40 Tage nach der Geburt die willkommene Schonzeit, in der sich Vater, Mutter und Kind unter Ausschluss der lieben Verwandtschaft erst einmal aneinander gewöhnen müssen.
 Meist werden die Jungen am 7. Tag nach der Geburt beschnitten, spätestens aber findet die Beschneidung vor Beginn des siebten Lebensjahres statt. Mädchen werden nicht beschnitten, diese Vorgehensweise wird im Koran ausdrücklich verboten. Leider herrschen in Teilen Afrikas nach wie vor solch grausame Sitten vor.

 Die Babys erhalten nach der Geburt einen kohlehydratreichen Dattelbrei, der sie stärken soll. Datteln werden auch oft der wehenden Mutter gegeben, weil sie das Hormon Oxitocyn enthalten und den Geburtsvorgang beschleunigen können. Während des Geburtsvorgangs soll die werdende Mutter Bittgebete sprechen, da es heißt diese würden in dieser Situation ganz besonders erhört werden. Muslimischen Frauen steht ebenfalls eine Hebamme an der Seite, um sie bei der Geburtsarbeit zu unterstützen. Das Gebären erfolgt meist im Liegen und ohne Zuhilfenahme von Schmerzmitteln. Der Mann darf auf keinen Fall bei der Geburt anwesend sein. Im Koran wird ausdrücklich die natürliche Geburt bevorzugt, ein Kaiserschnitt ist nur für den Notfall vorgesehen, weil er die Frau schwächt und ihre Gebärfähigkeit vermindert.

 In Bezug auf das Stillen gibt es im Koran die Empfehlung, Kinder volle zwei Jahre zu stillen. Demzufolge ist die Bindung der Mutter an ihren Nachwuchs in diesen ersten Lebensjahren sehr eng. Da die geglückte Mutterschaft das höchste Ziel für jede Frau im Islam darstellt, kommt ihr in dieser Zeit besondere Bedeutung zu.

 Der Koran sieht sogar vor, dass eine geschiedene Frau für die Stillleistung der Kinder vom Mann finanzielle Entschädigung einfordern kann. Trotz aller Mutterliebe sehen es die Traditionen vor, schon bald einen großen Unterschied in der Erziehung von Jungen und Mädchen zu machen. Jungen werden generell zu Prinzen erzogen; sie haben mehr Freiräume und werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt. Etwa ab dem siebten Lebensjahr übernimmt der Vater die Verantwortung für die männlichen Nachkommen.

 Mädchen hingegen müssen sich schon sehr früh an ihre Rolle als Dienerinnen gewöhnen, um sich später im Haushalt tadellos zu verhalten. Von ihnen wird verlangt, absoluten Gehorsam den männlichen Familienmitgliedern gegenüber an den Tag zu legen. Mit fortschreitendem Alter der Frau – nämlich dann wenn sie ihre Sexualität abgelegt hat und nicht mehr als Verführerin der Männer gilt – steigt auch ihr Ansehen. In der Rolle von Schwiegermüttern haben sie eine gleichberechtigte Stellung zu der eines Mannes und verfügen über ein gewichtiges Mitspracherecht. Mädchen werden im Islam schon sehr früh verheiratet, meist zwischen 13 und 19 Jahren. Allerdings darf es nicht gegen ihren Willen geschehen. Im modernen Islam ist die Einehe die Normalität, der Koran erlaubt einem Mann aber bis zu vier Frauen zu ehelichen. Der Grund dafür liegt einerseits in der Versorgung mehrerer Frauen durch einen Mann, andererseits in der steigenden Chance auf (männliche) Nachkommen. Die Vielehe wird allerdings heute nicht in dem Maße wie früher gelebt.

 Eine Scheidung ist im Islam immer der letzte Ausweg aus einer glücklosen Ehe, der Koran betrachtet sie als eine der unwürdigsten Möglichkeiten. Zuvor wird alles versucht, um die beiden Partner doch noch miteinander auszusöhnen. Die Gründe für eine Scheidung sind für Mann und Frau unterschiedlich. Ein Mann kann sich scheiden lassen, wenn die Frau ihm nicht die gewünschten Nachkommen schenkt. Ergeben sich dreimal hintereinander Situationen, in den er ihr gegenüber äußert „Ich verstoße dich“ so ist die Scheidung problemlos vollzogen.

 Auch Frauen können sich scheiden lassen, die Gründe dafür sind aber ausschließlich Impotenz oder Geisteskrankheit des Mannes, lange Abwesenheit oder fehlende Unterhaltszahlungen desselben. Im Falle einer solchen rechtskräftigen Trennung erhält immer der Vater das Sorgerecht für die Kinder. Obwohl die Stellung der Frauen und Mädchen nicht unbedingt mit westlichen Werten in Einklang zu bringen sind, so hat doch die Familie im Islam einen besonders hohen Stellenwert. Sie wird als Institution der gegenseitigen Unterstützung gesehen, in der alle Mitglieder festgelegte Pflichten aber auch ebensolche Rechte haben. Und was am wichtigsten ist: In ihr finden alle Liebe, Geborgenheit und Halt in schwierigen Situationen.

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